Stellungnahme zum Strategiepapier Elektromobilität von KIT-Professor Doppelbauer

Strategiepapier Elektromobilität von KIT-Professor Doppelbauer auf electrive.net

Der Umbau unserer heutigen Kraftstoffinfrastruktur auf Ladeinfrastruktur bringt viel dramatischere Eingriffe und Kosten mit sich als der Umbau der heutigen Tankstelleninfrastruktur auf Wasserstoff. Richtig ist, dass für eine 1:1 Umrüstung von Benzin auf Wasserstoff mehr Platz und Energie an der Tankstelle benötigt würde, allerdings wird es weniger sein als der kolportierte Faktor 2. Eine 1:1 Umrüstung muss nicht stattfinden, weil uns die Zukunft einen Mix unterschiedlicher Kraftstoffe bringen wird. Wasserstoff kann dabei ein wichtiger Kraftstoff für die Langstreckenmobilität der Zukunft werden, aber nicht der einzige. Wichtig ist, dass mit Wasserstoff im Gegensatz zu Strom eine Umrüstung heutiger Tankstellen auf einen emissionsfreien Kraftstoff möglich ist. Dies ist für eine Langstrecken-taugliche Schnellladeinfrastruktur nur schwer vorstellbar: für den Ersatz einer einzigen Wasserstoffzapfsäule bräuchte man unter Berücksichtigung aller Wirkungsgradunterschiede, Betankungs- und Ladegeschwindigkeiten aus unserer Praxiserfahrung 16 Tesla Supercharger mit einer Gesamt-Anschlussleistung von 2,4 MW. Für eine heutige Autobahntankstelle mit 10 Zapfsäulen, die eines Tages Wasserstoffzapfsäulen werden könnten, bräuchte man 160 Tesla Supercharger und damit 24 MW Anschlussleistung, um dieselbe Reichweite erzeugen zu können. Das Argument, dass es eine solche Schnellladeinfrastruktur gar nicht bräuchte, weil ja dezentral geladen werden könnte, würde bedeuten, dass individuelles Reisen, wie wir es heute u.a. in den Urlaubszeiten kennen, nicht mehr stattfinden würde. Kann es aber, eben mit Wasserstoff oder seinen Folgeprodukten, bei gleichzeitiger Einhaltung unserer Klimaziele.

Denken wir weiterhin an schwere Lkw und Langstreckenbusse, ist noch viel klarer, dass die Batterie ein weder ökologisch, noch ökonomisch sinnvoller Ersatz für den heutigen Diesel sein kann. Da aber 40% aller CO2 Emissionen weltweit von Nutzfahrzeugen erzeugt werden, müssen wir auch hier handeln. Ein langstreckentauglicher schwerer Lkw mit 800 km Reichweite würde eine Batterie von 1 MWh (im Winter eher 1,2 – 1,4 MWh) benötigen, deren Kosten und CO2-Fußabdruck die Klimaziele ad absurdum führen würden. Wasserstoff aus grüner Erzeugung hat die Chance, Diesel zu ersetzen und den CO2-Fußabdruck von Nutzfahrzeugen dramatisch zu reduzieren. In Asien wird es bereits gemacht, in den USA laufen die Vorbereitungen. Auf der Nutzfahrzeugmesse in Atlanta letzte Woche haben vier führende Lkw Antriebs- und Fahrzeughersteller ihre Ausrichtung auf Wasserstoff bestätigt und Lkw Studien mit Brennstoffzellenantrieben gezeigt. In China fahren bereits die ersten Tausend Brennstoffzellenbusse und leichten Brennstoffzellen-Lkw – und werden das auch weiter tun, auch weiter mit chinesischer Förderung, anders als der Pressetext von China Daily, auf den sich Prof. Doppelbauer beruft, fälschlicherweise suggeriert. In Deutschland hat sich vor zwei Wochen Daimler neben der Batterie auch zur Brennstoffzelle im Nutzfahrzeugbereich bekannt. Sollten wir uns einseitig auf die Batterie konzentrieren und den Diesel für Nutzfahrzeuge am Leben erhalten, werden wir unsere Klimaziele schwer erreichen und das Spielfeld der Zukunftstechnologie Wasserstoff Asien überlassen.

Bezüglich der Herkunft von Wasserstoff, seiner Wirkungsgradkette und Ökologie ist folgendes zu berücksichtigen: der Kraftstoff der Zukunft kann nicht nur aus dem inländischen Stromnetz kommen. Das wäre in Hinsicht auf die Dimension der kontinuierlich benötigten Energiemenge genauso fragwürdig wie in Hinsicht auf Kosten und Effizienz. Denn ein zunehmender Ausbau des erneuerbaren Energiesystem führt zu erheblichen saisonalen Überschüssen von erneuerbarem Strom vor allem im Sommer. Dieser wird nach aktuellen Studien und unseren eigenen Berechnungen bereits für ein 80% erneuerbares Stromsystem im zwei- bis dreistelligen Terawattstundenbereich liegen. Der einzige bekannte Speicher für derartige Mengen an Strom mit längerfristigem Speicherbedarf ist Wasserstoff und seine Folgeprodukte. Wir sparen uns an dieser Stelle die Berechnung, wie viele Batteriefahrzeuge als kombinierter Netzspeicher dafür erforderlich wären – es wären zu viele. Sollte nicht noch ein besserer Speicher als Wasserstoff für saisonale Stromüberschüsse gefunden werden, müsste der Strom für die Elektromobilität zumindest teilweise, v.a. im Winter, aus einer Rückverstromung von Wasserstoff erzeugt werden. Damit dreht sich der der Wirkungsgradvorteil des Batteriefahrzeugs in einen Nachteil, oder besser der Wirkungsgradnachteil des Wasserstoffautos in einen Vorteil.

Wasserstoff hat großes Potenzial, zum führenden emissionsfreien Energieträger für den internationalen Energiehandel der Zukunft zu werden. Strom aus sonnenreichen und windreichen Gegenden der Welt kann zu günstigen Kosten weltweit transportiert werden, in Form von Flüssigwasserstoff und ggf. anderen Trägern. Wegen der geringen Kosten von z.B. Solarstrom im Nahen Osten und Nordafrika und der guten Skalierbarkeit von Wasserstofferzeugungs- und -verflüssigungstechnik erübrigen sich alle Berechnungen um Wirkungsgrade und Energieeffizienzen. Einen anderen ökonomisch sinnvollen Weg, Solarstrom und Windstrom aus dem nahen Osten oder Nordafrika nach Europa und Deutschland zu schaffen, gibt es nicht. Sehr bald wird eine große internationale Studie den Beleg für diese These erbringen. Und die bereits anlaufenden Planungen zu Großprojekten werden Fakten schaffen.

Wir fahren seit nunmehr 4 Jahren Wasserstoffautos und seit 2 Jahren auch Batterieautos. Mit ersteren bewegen wir uns frei durch Deutschland und zunehmend auch durch Europa. Wir tanken selten länger als 5 Minuten, haben anschließend reale Langstrecken-Reichweiten von 450 – 600 km. Und damit meinen wir, dass wir auf deutschen Autobahnen wo erlaubt auch 160 km/h bis 180 km/h fahren, über längere Strecken. Dramatisch wird der Vorteil unserer Brennstoffzellenfahrzeuge im Winter, wenn nach unserer Erfahrung Reichweiten in Batterieautos um 20 – 40% einbrechen. Das Tempolimit mag das Problem entschärfen, lösen wird es dies nicht. Und die Realität des Batteriefahrzeugverbrauchs ist nach unseren Messungen eine andere als vielen Studien zugrunde liegt. Wir messen unseren Fahrzeugverbrauch am Drehstromzähler vor der 11kW Wallbox. Dort zeigt die langjährige Ladebilanz, dass wir 22% mehr in das Auto laden, als dieses als Fahrzeugverbrauch angibt. Und dieser angegeben Fahrzeugverbrauch liegt bereits um 48% über dem vom Hersteller angegebenen (NEFZ) Zykluswert.

In Zukunft freuen wir uns, grünen Wasserstoff tanken zu können. Den Weg dahin kennen wir und wollen mit anpacken, ihn schnellstmöglich umzusetzen. Dann fahren wir mit dem Brennstoffzelleauto auf der Langstrecke auch ökologisch günstiger als mit einem Batterieauto hoher Reichweite, das einen erheblichen CO2 Rucksack aus der Batterieproduktion mit sich trägt. Und auf der Kurzstrecke fahren wir gerne unsere Batterieautos, im Sommer mehrheitlich aus der häuslichen PV Solaranlage, wozu wir noch nicht einmal viel neue Ladeinfrastruktur benötigen. Diese Komplementarität von Wasserstoff und Batterie ist sinnvoll und wird mit großer Wahrscheinlichkeit auch Realität. Auch weil Technologieoffenheit die deutsche Wirtschaft schon immer ausgemacht hat und wir unseren zukünftigen Wohlstand kaum an Asien abtreten wollen.